"Endlich Sommer!", Ahmad, 17 Jahre, lacht spontan auf, als er gefragt wird nach seinen Erinnerungen an die internationale Jugendbegegnung auf Sizilien im Juli 2017. Zwei sonnige Wochen lang hat er dort diskutiert, gelacht, manchmal auch geweint, getanzt und gestaunt – gemeinsam mit 60 Jugendlichen aus Italien, Spanien, England, Slowakei, Portugal, Slowenien und Deutschland.
Und er hat viel gelernt, über andere und über sich selbst. "Tutti uguali - tutti differenti: Young Europeans come together to learn how to embrace human rights", unter diesem Titel beschäftigten sich die Jugendlichen mit dem Thema Menschenrechte. "Ich habe gelernt, dass wir, obwohl wir alle verschieden sind, genau die gleichen Rechte haben", sagt Ahmad.
Sich trauen, schwimmen zu lernen
Ahmad lebt erst seit knapp zwei Jahren in Hamburg. Mit 15 floh er aus Syrien. Zum ersten Mal seit seiner Flucht, bot sich ihm die Gelegenheit, sich außerhalb von Deutschland aufzuhalten.
Es war aber nicht seine erste Erfahrung mit einer internationalen Jugendbegegnung. Ahmad gehört zu einer Jugendgruppe des Abenteuerspielplatzes am Brunnenhof auf St. Pauli. Vor einem Jahr waren die "Bauis" selbst die Gastgebergruppe einer internationalen Begegnung in Hamburg und auf Sylt. Ahmad war damals zum ersten Mal dabei. Er erinnert sich noch an seine anfängliche Unsicherheit mit den vielen Sprachen und Menschen.
Nun also die Fortsetzung auf Sizilien: Seit Herbst letzten Jahres hatten sich die "Bauis" jede Woche getroffen, um als Gruppe einen Workshop für diese nächste Begegnung vorzubereiten. "Wir haben ein Rollenspiel über Vorurteile erarbeitet. Konkret ging es darum, dass Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben in eine Disko gehen wollen und von den Türstehern gestoppt werden", erzählt Ahmad.
Auf Sizilien fand das Rollenspiel gute Resonanz. Die meisten Teilnehmenden kannten die Probleme der Vorurteile und Alltagsdiskriminierung nur zu gut. So wie Ahmad auch kamen die meisten aus multikulturellen Stadtteilen europäischer Großstädte. Die Jugendbegegnung war der Ort, an dem sie die Alltagsdiskriminierung kurzzeitig hinter sich lassen konnten, sagt Ahmad: "Für diese zwei Wochen spielte dein Hintergrund keine Rolle. Es war egal, wo du herkommst".
Dieser Grundsatz wurde während der gesamten Begegnung in der Praxis gelebt, bekräftigt der 17jährige. Was ihn besonders freut: Dieses Jahr konnte er bereits andere dabei unterstützen, ein Teil der Gruppe zu werden. Er hat sich auf Englisch, Deutsch und Arabisch unterhalten und dazwischen auch noch ein paar Wörter Spanisch und Italienisch gelernt. Ahmad lächelt: "Und irgendwie ging es auch ohne Sprache."
Zum ersten Mal reiste er mit dem Flugzeug. Außerdem hat er auf Sizilien seine Angst vor dem Meer überwinden können. Vor einem Jahr auf Sylt zuckte er beim Anblick der Nordsee noch zusammen, diesmal fing er an, sich dem Wasser zu nähern und traute sich, schwimmen zu lernen.
Sondergenehmigungen für die Aus- und Wiedereinreise
Organisiert hat die Begegnung e.p.a., european play work association e.V., ein internationales Netzwerk von Jugend- und Stadtteilinitiativen mit Sitz in Hamburg. Neben Ahmad nahmen aus Hamburg noch drei weitere Jugendliche mit Fluchterfahrung teil. Obwohl zwei von ihnen eine Ablehnung im Asylverfahren erhalten hatten und damit Deutschland eigentlich nicht verlassen durften, konnten die Betreuer die Ausländerbehörde (auch mit Unterstützung des Hamburger Landesjugendamts) überzeugen, Sondergenehmigungen für die Aus- und Wiedereinreise auszustellen. Am Flughafen gab es noch eine Aufregung, weil die Fluggesellschaft keine Reisenden ohne Pässe mitnehmen wollte, doch die Polizei bestätigte, dass alle Papiere in Ordnung seien.
"Ich möchte andere Jugendliche mit Fluchterfahrungen unbedingt dazu ermutigen, an einer internationalen Begegnung teilzunehmen. Es ist alles möglich, unabhängig vom Bleibestatus", kann Ahmad berichten.
Er hat mit den anderen Teilnehmenden viel über sein Leben und über die Situation in Syrien geredet und seine Fluchtgeschichte erzählt: "Ich fand es sehr befreiend, dass mir die Anderen zuhörten und niemand mich verurteilt hat. Das hat mir ein neues Selbstbewusstsein gegeben, Freundschaften zu schließen, auch in Deutschland."
Für den Sommer 2018 plant e.p.a. mit den Partnergruppen bereits die nächste Jugendbegegnung, diesmal in Portugal. "Natürlich würde ich gerne wieder teilnehmen, aber vielleicht ist es auch fair, neuen Jugendlichen diese Chance zu geben", überlegt Ahmad. "Ich bin sehr dankbar für diese Erfahrungen. Sie haben mein Leben im Großen und Ganzen nicht geändert, aber mich haben sie sehr verändert. Ich verurteile andere nicht mehr beim ersten Blick und bin viel offener für neue Menschen und Situationen. Und vorm Wasser habe ich auch keine Angst mehr."
(JUGEND für Europa mit freundlicher Genehmigung von european play work association e.V. / Foto: european play work association e.V.)
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Weiterführende Informationen
Die Jugendbegegnung wurde gefördert über Erasmus+ JUGEND IN AKTION. Wenn auch Sie ein solches Projekt organisieren wollen: Alle Informationen und Unterlagen finden Sie auf unserer Programmseite...
Mehr zur Arbeit von e.p.a., european play work association e.V. finden Sie hier...