Sie sind hier:

Nachricht

Der Besuch des Präsidenten: "Das Beste, was wir in Europa haben“

JUGEND IN AKTION

Zum 20. Geburtstag des EFD sah Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments, seinen Besuch als Pflicht an. Er gratuliert dem EFD und würdigt, wie wichtig der Europäische Freiwilligendienst für ein solidarisches Europa ist.

Politdebatte mit Moderator und Gästen

Foto: Bettina Ausserhofer

"Es gibt Leute, die sagen, man könnte den EFD renationalisieren. Ich habe selten größeren Unsinn gehört! Wenn es überhaupt ein Projekt gibt, das stilbildend für Europa ist, in denen Nationen über Grenzen hinweg zusammenarbeiten, sich gegen Renationalisierung stellen, dann ist es der EFD. Denn Sie repräsentieren das Beste, was wir hier haben und deshalb ist es eine Pflicht für mich hier zu sein!"

So begrüßte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz die Freiwilligen und die Jugendfachkräfte im voll besetzen Festsaal. Mit seinen 62 Jahren sei er noch in einem Europa aufgewachsen, das ganz und gar nicht dem entsprach, in dem die Generation, die hier vor ihm sitze, aufgewachsen sei, so Schulz weiter. Außerdem erwähnte er seinen Vater, der beide Weltkriege mitgemacht hatte. Gleichzeitig gäbe es Leute, die Grenzen wieder einführen wollten. Leute, die im Parlament sagten, man könnte ja auch mal schießen an der Grenze, erzählt Schulz.

Kurz davor war für die beiden Freiwilligen Leon Brülke und Janet Ladwig bereits ein großer Wunsch in Erfüllung gegangen: Ein Selfie mit Martin Schulz. Danach saßen sie mit ihm in der Diskussionsrunde "Freiwillig für Europa – Unser Engagement. Unsere Zukunft." auf dem Podium und diskutierten mit Elke Ferner, Parlamentarische Staatssekretärin im Jugendministerium, Hans-Georg Wicke, Leiter von JUGEND für Europa, Antoaneta Angelova-Krasteva, Direktorin in der Generaldirektion Bildung und Kultur der EU-Kommission über den Zustand Europas und die Zukunft des EFD.

Leidenschaftliches Plädoyer für ein solidarisches Europa

In seiner mitreißenden Rede hatte Schulz aus seiner Meinung keinen Hehl gemacht, sei es zum Brexit oder darüber, wie wenig der Begriff "Solidarität" für einige Mitgliedstaaten bedeutet, und nahm so die jungen Menschen mit seiner Persönlichkeit und seiner Emotion für sich ein. Für Schulz war es auch eine Heimkehr: "Wenn man hier in der Region geboren ist, dann ist man so etwas wie ein Instinkteuropäer: Wenn man spazieren geht, weiß man nie, ob man nicht gerade in Belgien oder den Niederlanden ist." Die Menschen hier wüssten, was es heißt, an einer Grenze zu leben und kennen die nur wenige Kilometer entfernten anderen Traditionen und Kulturen. Er freue sich, dass der EFD hier seinen 20. Geburtstag feiere, wo man nur vor die Haustüre treten müsse, um Europa zu erfahren.

Schulz zeigte sich besorgt über den wachsenden Rechtsradikalismus. Die Rhetorik der 1920er und 1930er Jahre sei wieder da, die Zerstörer hätten Rückenwind, sagte er: "Ich bin 1955 geboren. Meine Kindheit hat immer nur das 'mehr' gekannt. Mehr Informationen, mehr Leistungen, mehr Chancen, mehr Bildung, mehr Geld. Aber wir haben nun einmal eine Union, die nicht vollständig ist, nicht immer gerecht, zu langsam, zu risikoreich, zu ineffizient. Wir müssen solidarischer werden, gerechter, effizienter. Und viele wollen das nicht, wollen Europa zerstören, es abschaffen." Er appellierte an den Ausspruch Edmund Burkes: "Für den Triumph des Bösen reicht es, dass die Guten nichts tun."

Janet und Leon forderten in ihren Statements, dass junge Menschen nicht den Älteren über 50  Entscheidung überlassen sollten (wie man es beim Brexit gesehen hat). Sie forderten eine Rebellion der Jungen gegen die Alten, mehr Mitgestaltung in der Politik, aber auch eine verstärkte Beschäftigung mit Europa in der Schule, eine veränderte Flüchtlingspolitik der EU, weniger nationale Interessen.

"Rebellion finde ich gut – wenn sie nicht gegen mich geht", antwortete Martin Schulz Leon mit einem Augenzwinkern: "Irgendwann erschöpft sich der Kampfgeist bei uns, aber ihr müsst Typen wie mir Feuer unter dem Arsch machen. Die Welt von morgen ist eure und ihr müsst daran mitwirken und es steht euch auch zu. Ich war damals die Pein für alle Älteren – so muss das sein."

Wie sieht die Zukunft des Europäischen Freiwilligendienstes aus?

Der EFD selbst sei ein Instrument gegen Politikverdrossenheit, brachte Hans-Georg Wicke ins Gespräch ein: "Der EFD ist ein Statement für Europa, die Projekte selbst sind sehr oft politisch. 30 bis 40 Prozent der Freiwilligen sagen nach der Rückkehr, dass sie sich weiter ehrenamtlich einbringen wollen. Mehr kann man überhaupt nicht erwarten!"

"Der EFD ist eine großartige Möglichkeit, persönliche Erfahrungen zu sammeln und etwas zur Gesellschaft beizutragen", sagte Antoaneta Angelova-Krasteva von der EU-Kommission. "10.000 junge Freiwillige jährlich sind toll und wir sind dabei das Budget aufzustocken, weil wir sehr viele positive Auswirkungen sehen. Mit den Plänen zur Umsetzung eines Europäischen Solidaritätskorps möchten wir ab Dezember noch weiter gehen als die bereits existierenden Strukturen."

Daran übte Wicke Kritik: "Ich hätte mir eher gewünscht, dass die Zahlen für den EFD verdoppelt werden. Die angesprochenen Projekte in Flüchtlingshilfe etc. gibt es bereits. Das einzige, was wir brauchen ist mehr."

Martin Schulz bekräftigte: "Ich wünsche mir einen noch breiteren Freiwilligendienst, dass vor allem möglichst viele junge Menschen Zugang dazu haben. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Juncker einen uniformierten Einheitsdienst meint, sondern eher eine Erweiterung des bestehenden Freiwilligendienstes."

Die Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten und der beteiligten Träger müsse in jedem Fall erhalten bleiben. Es dürfe auf auf keinen Fall zu einer Zentralisierung der Verwaltung kommen, sagte Schulz im Anschluss zu JUGEND für Europa.

(Lisa Brüßler für JUGEND für Europa)

Öffnet die Seite zum Drucken in neuem Fenster