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„Für mich hat sich in dem Projekt verändert, dass ich meine Einstellung gegenüber anderen verbessert habe” — Internationale Jugendarbeit wirkt!

JUGEND IN AKTION

“Jeder Schülerin/jedem Schüler sollte die Möglichkeit gegeben werden, an einem solchen internationalen Austauschprojekt teilzunehmen”, so Albert Klein-Reinhardt vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bei der Abschlussveranstaltung des Projekts „wir weit weg – Internationale Jugendarbeit trifft Schule“.

Jugendliche gestalten ein Plakat zur Jugendbegegnung

Jugendliche gestalten ein Plakat zur Jugendbegegnung

An Angeboten der außerschulischen internationalen Jugendarbeit mangelt es unterdessen nicht. Doch wie bringt man Zielgruppe und Angebote zusammen? Das Projekt aus Leipzig hat sich dem Problem gewidmet und in einer zweijährigen Pilotphase ein Beispiel guter Praxis erarbeitet, welches zur Nachahmung nur empfohlen werden kann.

 

“Mir ist es wichtig, so vielen jungen Menschen wie möglich die Chance zu eröffnen, für eine Zeit ins Ausland zu gehen. Gerade auch Jugendlichen, denen die Eltern nicht mal eben so ein Austauschjahr finanzieren können,” so Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig beim Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag im Juni 2014. Sie erhob den internationalen Jugendaustausch damit zu einem wichtigen Grundpfeiler der Eigenständigen Jugendpolitik des Bundes.

 

Eine wichtige Erfahrung, doch nur Wenige profitieren von Angeboten der internationalen Jugendarbeit

 

Nachweislich trägt die Teilnahme an einem internationalen Austausch positiv zur Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen bei. Im Sinne des Förderprogramms Erasmus+ JUGEND IN AKTION sind internationale Austausche zudem ein wesentlicher Teil der Solidarisierung der Zivilgesellschaften verschiedener Länder. Einen ähnlichen Wert maßen die europäischen Bildungsminister in ihrer “Pariser Erklärung” vom 17. März 2015 der internationalen Jugendbildung bei, indem sie festhielten, dass internationale ebenso wie politische Bildung der Radikalisierung junger Menschen vorbeugen könne. An politischer Zustimmung zum internationalen Austausch mangelt es also nicht.

 

Dennoch – weiterhin bleibt die Möglichkeit zur Teilnahme an solchen Austauschen nachweislich großen Teilen der jugendlichen Bevölkerung verwehrt, vor allem denjenigen, die nicht sowieso, von Seiten des Elternhauses zum Beispiel, internationale Reisen unternehmen (können). An meist kostengünstigen Angeboten der internationalen Jugendarbeit mangelt es unterdessen nicht – im Gegenteil: häufig fehlen die Teilnehmenden – und so hat sich das Projekt “wir weit weg – Internationale Jugendarbeit trifft Schule” dem Problem gewidmet, wie man diese Angebote besser an die Zielgruppe, oder andersherum, die Zielgruppe an die Angebote herantragen könnte.

 

“Menschen statt Flyer”

 

Die Lösung scheint denkbar einfach: Die Zielgruppe verbringt einen wesentlichen Teil ihres Tages in der Schule, und genau da muss man sie abholen. Die Verbindung von internationaler Jugendarbeit mit dem Sozialraum Schule stellt einen wichtigen Grundsatz für das Projekt dar. Ein weiteres Motto ist maßgeblich für den Projektansatz: “Menschen statt Flyer”. Soll heißen, dass die Ansprache statt über Aushänge, Facebook und Co. persönlich erfolgen muss.

 

“Flyer und Facebook-Veranstaltungen können nützlich sein, um bereits in persönlichen Ansprachen aufgebaute Beziehungen zu festigen, die Interessierten auch auf einem anderen Wege an das Projekt zu binden, ihnen etwas in die Hand zu geben, damit sie sich an Termine und Kontakte besser erinnern. Aber eine nachhaltige Ansprache funktioniert meiner Meinung nach nicht auf diesem Wege”, erklärt Katharina Wessel, Theaterpädagogin, Initiatorin und Koordinatorin des Projekts, ihren Ansatz.

 

Ein voller Erfolg – mehr Teilnehmende als erwartet

 

Das Projekt “Internationale Jugendarbeit trifft Schule” läuft von September 2014 bis Ende 2016 und wird gefördert vom Innovationsfonds des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). An drei Leipziger Oberschulen entwickelten Schülerinnen und Schüler der siebten bis neunten Klassen in altersgemischten Gruppen über einen Zeitraum von etwa eineinhalb Jahren eigenständig ihre eigene internationale Jugendbegegnung. Unterstützt wurden sie dabei von je zwei ehrenamtlichen Coaches pro Schule, die sich regelmäßig, an einem Nachmittag ein Mal pro Woche, mit ihnen trafen. “Die Schule diente ausschließlich dazu, die potenziell Interessierten anzusprechen und als Treffpunkt mit den Coaches. Die pädagogische Arbeit der Coaches stützte sich unterdessen explizit auf Methoden aus der non-formalen Bildung, der Austausch sollte ein außerschulischer werden”, so Katharina Wessel.

 

Das Projekt wurde ein voller Erfolg. Das Interesse der Teilnehmenden war von Anfang an groß – an einer der drei Schulen meldeten sich zu Beginn fast fünfzig Schülerinnen und Schüler für die Teilnahme an. “Diese Gruppe mussten wir sogar reduzieren – mit so vielen Teilnehmenden hatten wir nicht gerechnet und hätten mit einer so großen Gruppe gar nicht arbeiten können”, so Jessica Reinsch, Lehramtsstudentin und Coach an der betreffenden Oberschule.

 

Viel Beteiligung der Jugendlichen – die aber auch eine Herausforderung darstellt

 

Neben dem Zielland überlegten sich die Teilnehmenden während der Treffen Thema und Methoden der internationalen Begegnung, sie nahmen Kontakt zu möglichen Partnereinrichtungen im Ausland auf und schrieben am Ende sogar selbst am Erasmus+ JUGEND IN AKTION-Antrag mit. Die Förderung des Jugendprogramms von Erasmus+ sollte zur Finanzierung der Jugendbegegnung genutzt werden. Alle drei Förderanträge bei Erasmus+ JUGEND IN AKTION wurden bewilligt. Zwischen Mai und Oktober 2016 fuhren die drei Gruppen zu ihren selbst organisierten Jugendbegegnungen — zwei nach Italien, eine nach Spanien.

 

Niemand der Teilnehmenden hatte zuvor etwas von internationalen Jugendbegegnungen gehört, geschweige denn an einer teilgenommen. An den drei betreffenden Oberschulen gab es zuvor kein Angebot des internationalen Austausches. Überzeugend fanden Jugendliche wie Eltern, dass ein solcher Austausch nahezu nichts kostete. Natürlich war es für alle Jugendlichen darüber hinaus spannend, ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen in die Konzeption der Begegnung einbringen zu können. Doch war dies auch mit Hürden verbunden.

 

“Viele von ihnen waren zunächst mit diesen Freiheiten überfordert”, so Katharina Wessel. Aus der Schule seien sie strengere Vorgaben gewöhnt, dort werde Eigeninitiative selten verlangt. Die Coaches hätten zunächst intensiv daran arbeiten müssen, die Teilnehmenden zu ermutigen, eigene Wünsche zu erkennen, zu formulieren und sich schließlich für deren Umsetzung stark zu machen. Auch dies ist ein Gewinn für die Jugendlichen durch das Projekt.

 

“Für mich hat sich in dem Projekt verändert, dass ich meine Einstellung gegenüber anderen verbessert habe, ich habe viel von dem Leben und von der Kultur gelernt. Ich habe mein Ziel umgesetzt, viel Englisch zu sprechen und offener mit anderen zu sein”, so eine der Teilnehmerinnen, die mit ihrer Gruppe in Italien war. Ein anderer Teilnehmer aus derselben Gruppe kam zu dem Schluss, dass “wir” und “die” gar nicht so verschieden sind: “Eigentlich habe ich festgestellt, dass es ziemlich viele Gemeinsamkeiten mit dem deutschen Alltag gibt.”

 

Alle wollen unbedingt mehr davon

 

Am 23. November 2016 fand nun die Abschlussveranstaltung des Projekts in Leipzig statt. Von allen - Schülerinnen und Schülern, Projektbeteiligten, Fachpublikum und Unterstützerinnen und Unterstützern - kam ein einstimmiges Feedback: Es braucht mehr davon. Die Schülerinnen und Schüler sind währen der eineinhalb Projektjahre sehr viel reicher an Erfahrung und Selbstbewusstsein geworden. Einige wollen nach Italien ziehen. Klar ist für alle: Sie wollen wieder weg.

 

Eine der Gruppen hat bereits einen Folgeantrag bei Erasmus+ JUGEND IN AKTION für die Rückbegegnung gestellt, die im April in Leipzig stattfinden soll. Der Erfolg der letzten beiden Jahre und der große Zuspruch, der dem Projekt durch Teilnehmende, Eltern, Schulpersonal, Fachöffentlichkeit und nicht zuletzt die Förderprogramme entgegengebracht wird, motiviert, weiterzumachen.

 

Im Moment sind die Projektbeteiligten dabei, den Fortgang des Projekts nach Ende 2016 neu zu strukturieren, weitere Ehrenamtliche zu finden, neue Förderung zu akquirieren. Ein Schritt ist bereits getan: Durch ein Beratungsstipendium von startsocial werden die Coaches und die Projektleitung von professionellen Mitarbeitern großer Unternehmen zu möglichen Vorgehen beraten und erhalten Tipps, wie sie das Projekt weiter strukturieren und finanzieren können.

 

„Wir brauchen weitere Ehrenamtliche“

 

“Es ist absolut notwendig, dass, unabhängig vom angestrebten Abschluss, internationale Erfahrung/Begegnung gefördert werden muss. Die gesellschaftliche Wirkung ist mit Sicherheit beeindruckend hoch. Mit relativ geringen Mitteln lassen sich damit Schicksale von den Jugendlichen entscheidend prägen”, so eines der Juryfeedbacks von startsocial.

 

Neben politischem Zuspruch und dem Zuspruch aus Zivilgesellschaft und Wirtschaft braucht es vor allem aber eines: engagierte Menschen, die diese Bekenntnisse tatkräftig umsetzen. “Wir suchen vor allem weitere engagierte Menschen für die Durchführung an den Schulen (Coaches), Menschen, die uns bei der Projektkoordination, beim Fundraising und der Öffentlichkeitsarbeit unterstützen und natürlich auch neue Ideen zur Weiterentwicklung einbringen”, so Christian Schmidt-Rost von der Kindervereinigung Leipzig, der sich nun, gemeinsam mit drei anderen Engagierten, für die Weiterführung des Projekts einsetzt. Freiwillige und Interessierte können sich jederzeit bei ihm melden.

 

Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier.

Kontakt zur Projektkoordination können Sie hier aufnehmen.

 

 

(Text und Foto: Babette Pohle)

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