JfE: Frau Roland, wenn wir von non-formal erworbenen Kompetenzen aus der (internationalen) Jugendarbeit sprechen, welche Kompetenzen meinen wir damit? Können Sie uns ein paar Beispiele nennen?
Regina Roland: Diese Frage müssen wir in unserem Praxisforschungsprojekt noch klären. Denn es gibt ja verschiedenste Möglichkeiten, sich in der Jugendarbeit zu engagieren, verschiedene Rollen, die eingenommen werden können. Und in Bezug auf unser Projekt stellt sich die Frage: Wie können diese Kompetenzen erfasst werden, so dass dann auch eine Wertschätzung, Anerkennung und Anrechnung für unser Hochschulstudium erfolgen kann? Wir stehen mit unserem Praxisforschungsprojekt in dieser Frage noch am Anfang, da wir davon ausgehen, dass wir eine empirische Grundlage benötigen, um überhaupt zu wissen, welche Kompetenzen man in der Jugendarbeit erwerben kann. Doch die Grundannahme ist, dass man in der Jugendarbeit vielfältige Kompetenzen erwerben kann.
Was macht, Ihrer Meinung nach, die non-formal erworbenen Kompetenzen aus der Jugendarbeit so wertvoll für die Arbeit von Youth Workern im Vergleich zu denjenigen Kompetenzen, die an der Hochschule vermittelt werden?
Den Kompetenzen aus der non-formalen Bildung und den Kompetenzen aus der formalen Bildung liegen zwei verschiedene Logiken zu Grunde. Die formalen Kompetenzen sind zertifiziert; charakteristisch für non-formale Kompetenzen ist es, dass sie nicht zertifiziert sind. Die Herausforderung für uns ist es jetzt, diese beiden zu verbinden und den Anforderungen aus dem formalen Sektor gerecht zu werden. Wenn Kompetenzen aus der non-formalen Bildung im hochschulischen Curriculum angerechnet werden sollen, müssen sie bestimmten Anforderungen entsprechen, kompatibel, nachvollziehbar und transparent sein.
Dies ist das Ziel ihres Praxisforschungsprojekts: die Anerkennung non-formal erworbener Kompetenzen im formalen Bildungsbereich. Können Sie uns dieses Kompetenzmodell kurz skizzieren?
Nein, da stehen wir noch komplett am Anfang. Wir arbeiten im Moment an einer Handreichung für die Hochschule mit Methoden für die Anrechnung non-formal erworbener Kompetenzen aus der Jugendarbeit. Das hat folgenden Hintergrund: Der Studiengang "Soziale Arbeit mit Schwerpunkt Jugendarbeit" der Hochschule Kempten, auf den sich unser Praxisforschungsprojekt bezieht, richtet sich an Menschen, die in der Jugendarbeit tätig sind, aber noch keinen formalen Abschluss als Sozialarbeiter oder ähnliches haben, welcher aber eigentlich Voraussetzung für die berufliche Tätigkeit in der Jugendarbeit ist. Wenn diese Menschen dann bei uns studieren, sollen sie die Kompetenzen, die sie in der Jugendarbeit beruflich und/oder ehrenamtlich bereits erworben haben, auf das Studium angerechnet bekommen. Diese Art der Anrechnung ist noch recht neu und unbekannt für die Hochschulstrukturen. Das ist der erste Schritt und Ziel für unsere erste Projektförderphase bis Anfang 2018. In einem zweiten Schritt mit einer sich hoffentlich anschließenden zweiten Projektförderphase wollen wir dann das Kompetenzmodell auf Grundlage empirischer Erhebungen entwickeln.
Auf europäischer Ebene ist ein allgemeines Bestreben zu beobachten, die Ausbildung von Youth Workern und Trainern in der Jugendarbeit zu formalisieren, zu professionalisieren und zu standardisieren. Die Europäische Trainingsstrategie ist Teil dieser Bestrebungen. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?
Mir stellt sich die Frage, welche Interessen dahinter stehen, die Ausbildung für die Jugendarbeit zu standardisieren. Wenn es in Richtung Verzweckung, zum Beispiel in Form von der Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit geht, wenn also ein Zweck daraus gemacht wird, dass man sich in der Jugendarbeit engagiert oder Teilnehmer ist, dann sehe ich das kritisch. Wichtig finde ich, die Ziele, die hinter der Standardisierung stehen, transparent zu machen. Ein positiver Aspekt der Standardisierung ist, dass sichtbar gemacht werden kann, was Youth Work bringt und damit eine Förderung zu begründen und zu gewährleisten, dass die Weiterarbeit finanziell gesichert ist.
Was wären, Ihrer Meinung nach, die Vorteile einer europäischen Jugendarbeit, das heißt, eines einheitlichen Verständnisses und einheitlicher Standards und Curricula für die Jugendarbeit in den europäischen Ländern?
Es kommt ganz darauf an, welchen Charakter diese einheitlichen Standards für die Jugendarbeit hätten und wie sehr die Mitgliedstaaten verpflichtet wären, sich daran zu halten. Den Mitgliedstaaten etwas überzustülpen, fände ich nicht bereichernd. Ein Kern der Jugendarbeit ist ja gerade die Vielfalt, die verschiedenen Ansätze und Herangehensweisen im europäischen Raum.
(Das Interview führte Babette Pohle für JUGEND für Europa)
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Weiterführende Informationen
Weitere Informationen zum "ETS Kompetenzmodell für Trainer der internationalen Jugendarbeit" finden Sie hier...
Das "ETS Kompetenzmodell für Youth Worker" wird Ende 2016 veröffentlicht.
Mehr Informationen zum Praxisforschungsprojekt "Jugendarbeit und Bildung – Implementierung in den Studiengang Soziale Arbeit" der Hochschule Kempten finden Sie hier...